Was macht für Sie eine gute Hebamme aus?
Eine gute Hebamme benötigt eine große Portion Empathie, Flexibilität und insbesondere Freude an ihrem Beruf. Eine gute Hebamme beherrscht die Kunst, in maximalen Stresssituationen ruhig zu bleiben und – sagen wir mal – „aktives Nichtstun“ auszuhalten. In der Geburtshilfe muss man auch mal abwarten können. Das ist manchmal schon wahrlich eine große Herausforderung.
Wie haben Sie die Entwicklung der medius KLINIKEN erlebt?
In den vielen Jahren, in denen ich bei den medius KLINIKEN bin, ist natürlich auch viel passiert. Umzüge, Neubauten und Umstrukturierungen – ich habe hier wirklich viel erlebt. Das Schöne daran ist jedoch immer gewesen, dass wir bei Veränderungen einbezogen wurden. Wer wollte, konnte sich einbringen und das Umbruchsgeschehen aktiv mitgestalten. Das hat mir immer Spaß gemacht.
Was hat sich in den Jahren grundlegend geändert?
Im Laufe der Jahre hat sich wirklich viel verändert. Ich erinnere mich noch daran, wie wir mit Bleistift auf Zetteln notiert haben, was man vom Labor anfordern musste. Später gab es dann Matrizen, mit denen wir – ähnlich wie Linoldruck – die Adressen der Patienten auf ein gestanztes Blatt gerollert haben. Danach folgten handgefertigte Laborzettel, auf denen man nur noch die gewünschten Kriterien ankreuzen musste.
Und dann kamen die Anfänge der Digitalisierung. Das war die größte Umstellung. Damals war ich schon Leitung und durfte meinem Team erklären, wie man einen Computer und eine Maus bedient. Ich werde nie vergessen, wie eine Kollegin am Ende der Schulung vom Bedienen einer Maus einen Krampf bekam und die restliche Woche Muskelkater in der Hand hatte.
Nun sind wir dabei, komplette Geburtsberichte digital zu verfassen. Die Digitalisierung ist stetig vorangeschritten und mittlerweile sind wir annähernd papierlos.
Selbstverständlich gab es außer der Digitalisierung noch weitere grundlegende Veränderungen. Als ich im Kreißsaal angefangen habe, war es bspw. noch nicht alltäglich, dass die Männer bei der Geburt dabei sein durften. Dies hat sich erfreulicherweise im Laufe der Jahre schnell als Standard etabliert.
Auch die Aufenthaltsdauer der Patientinnen hat sich reduziert. Früher war eine Frau bei einer normalen Geburt 10 Tage und bei einem Kaiserschnitt 14 Tage im Krankenhaus. Dies hatte sich bereits während meiner Ausbildungszeit auf 6 Tage bei einer normalen Geburt und 10 Tage bei einem Kaiserschnitt reduziert. Heute sind es bei einer normalen Geburt nur noch 2 Tage und bei einem Kaiserschnitt 3-4 Tage. Auch waren die Frauen früher kaum auf die Geburt vorbereitet – auch das ist heute aufgrund der Aufklärung freiberuflicher Hebammen und der vielen angebotenen Vorbereitungskurse völlig anders.
Zuletzt hat sich auch die Kaiserschnittmethode geändert – man spricht heutzutage von einem „sanften Kaiserschnitt“. Es gibt kaum noch Vollnarkosen. Diese werden nur noch im Notfall angewendet. Grundsätzlich wird alles in Spinalanästhesie oder mit Hilfe einer PDA durchgeführt. Durch die OP- und Nahttechnik haben die Patientinnen viel weniger Schmerzen als früher. Das hat jedoch auch dazu geführt, dass der Kaiserschnitt als Operationsmethode nicht mehr so gefürchtet ist und dass der Wunsch danach viel ausgeprägter ist als früher.
Hand aufs Herz: Gab es Momente, in denen Sie überlegt haben, den Beruf zu wechseln?
In den letzten Jahren haben sich vor allem politische Strukturen stark verändert. Mir fällt es oftmals schwer, mit den veränderten Bedingungen in der Pflege wie Personalmangel oder zu wenig zeitlichen Ressourcen für die Betreuung der Frauen klarzukommen.
Doch „Gehen“ war für mich keine Alternative – denn dann reißt man ein weiteres Loch in die bereits bestehende Lücke und es ändert sich nichts. Außerdem können meines Erachtens die medius KLINIKEN nichts dafür, dass wir einen allgemeinen Hebammen- und Pflegemangel haben.
Daher werde ich bleiben und unterstützen, wo ich kann. Und insbesondere versuche ich, das bestehende System positiv zu verändern, mich politisch zu beteiligen und rauszuholen, was nur möglich ist. Das sehe ich auch als meine ganz persönliche Aufgabe und Herausforderung in der Leitungsverantwortung.
Können Sie sich an ein ganz besonders schönes Erlebnis erinnern, das Ihnen für immer in Erinnerung bleiben wird?
Ich durfte eine krebskranke Frau während der Entbindung begleiten. Der niedergelassene Arzt empfahl ihr aufgrund ihrer Erkrankung einen Kaiserschnitt. Die Frau hatte sich jedoch dazu entschieden, auf natürlichem Weg zu entbinden.
An dem Tag war es im Kreißsaal sehr ruhig, sodass ich die Frau sehr gut und persönlich bis zur Entbindung begleiten durfte. Als sie dann ihr Neugeborenes in den Armen hielt, wurde mir sehr bewusst, wie nahe sich Leben und Tod kommen können. Das war eine ganz besondere Situation und für mich ein besonderes Geschenk.