Liebe Frau Bahr, Sie arbeiten seit 2013 im Pflegedienst der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der medius KLINIK KIRCHHEIM. Was hat den Anstoß gegeben, dass Sie sich dem Thema „Klettertherapie“ angenommen und diese ins Leben gerufen haben?
Im Jahr 2019 durfte ich an einem Psychiatrie-Symposium teilnehmen. Dort gab es einen Vortrag zum Thema "Kletter- und Erlebnistherapie" von Alfred Mollenhauer, der diese Therapieform bereits etliche Jahre im Universitätsklinikum Tübingen anbietet.
Da mein Mann und ich selbst in unserer Freizeit klettern und sogar fast jeden Urlaub damit verbringen, hat mich dieses Thema einfach nicht mehr losgelassen.
Ich habe somit den Kontakt zu Herrn Mollenhauer gesucht. Dieser war ganz begeistert von meinem Vorhaben, eine Klettertherapie in den medius KLINIKEN anbieten zu wollen und sicherte mir umgehend seine Unterstützung zu.
So kam es, dass er mich dazu einlud, erste Eindrücke vor Ort bei der Klettertherapie in Tübingen zu sammeln. Mit 2 Bussen und insgesamt 13 Patienten fuhren wir in eine große Kletterhalle – sogar mit Publikumsverkehr. Es war ganz fantastisch, die Patienten während dieser Zeit zu beobachten: Am Anfang waren sie sehr in sich gekehrt. Aber beim Klettern sind sie dann richtig aus sich heraus gekommen, haben sich gegenseitig gestärkt und angefeuert.
Das, was ich in Tübingen erlebt habe, hat mir gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und hat mich noch einmal darin bestärkt, alles dafür zu tun, um eine Klettertherapie in Kirchheim zu etablieren. Corona hat zu Beginn 2020 leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber nun bin ich stolz, dass wir im November mit der ersten Klettertherapie beginnen können.
Ist das therapeutische Klettern nur eine von vielen möglichen Sportarten oder ist es gerade besonders bei psychischen Erkrankungen sehr geeignet? Können die Erfahrungen, die die Patienten beim Klettern sammeln auch in den Alltag übertragen werden?
Das therapeutische Klettern ist vor allem bei psychischen Erkrankungen sehr gut geeignet – gerade bspw. für Patienten mit Depressionen und Patienten, die kein Selbstvertrauen haben.
Es handelt sich dabei um ein Achtsamkeitstraining für Probleme und Verhaltensweisen im Alltag. Unser Ziel ist es, den Alltag des Patienten positiv zu verändern und ihm zu helfen, dass er wieder ganz alleine Entscheidungen treffen kann.
Der Patient lernt bspw., sich seinen Ängsten „Schritt für Schritt“ zu stellen und angstbesetzte Situationen aufzulösen. Zudem lernt er, sich wieder mehr zuzutrauen – denn durch das Gefühl, etwas geschafft zu haben, steigt das Selbstbewusstsein.
Ein weiterer Vorteil ist, dass soziale Fähigkeiten gestärkt werden. Zum einen vertieft das Klettern die Beziehung zur Betreuungsperson. Zum anderen findet das therapeutische Klettern auch in Gruppen statt und so motivieren sich die Patienten gegenseitig.
Frau Bahr, kurz gesagt: Welchen Mehrwert versprechen Sie sich durch die Klettertherapie bei den Patienten?
» Zutrauen zu sich selbst und anderen Menschen
» Erfolgserlebnisse
» Abbauen von Ängsten
» Überschreiten von Grenzen
» Emotionale Stabilisierung und Entfaltung
» Stärkung sozialer Fähigkeiten