Liebe Frau Helber, gab es einen besonderen Auslöser, weshalb Sie das Traineeprogramm entwickelt haben? Welche Gründe haben Sie dazu bewegt, solch ein Traineeprogramm zu erarbeiten?
Die Pflegedienstleitung äußerte den Wunsch, durch ein selbst entwickeltes Konzept für leitende Mitarbeitende neue Führungskräfte im Bereich der Pflege zu gewinnen. Das Einbringen von persönlichen Ideen sowie eigenen Erfahrungswerten steht an erster Stelle und spielt eine große Rolle bei der Entwicklung und Ausführung des Konzepts. Mit Hilfe des Konzepts soll die Möglichkeit geschaffen werden, durch erfahrene Leitungen und unter deren Anleitung die neue Rolle als Stationsleitung zu erproben.
Welchen beruflichen Hintergrund haben Sie?
Ich habe in den medius KLINIKEN meine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert. Seit 10 Jahren bin ich als Stationsleitung tätig. Seit 2015 leite ich die Stationen 31 (Interdisziplinäre Station: HNO-Belegbetten, Unfallchirurgie, Gynäkologie, Rheumatologie) und 32 (Rheumatologie: Infektiologie, Gastroenterologie, Nephrologie, Pneumologie).
Wie viele Personen haben das Traineeprogramm bereits durchlaufen?
Das Traineeprogramm haben zwischenzeitlich zwei Teilnehmende durchlaufen. Von Dezember 2021 bis Januar 2022 absolvierte ein Mitarbeiter des Standorts Nürtingen das Traineeprogramm. Auch ein neuer Mitarbeiter durchlief bereits das Traineeprogramm und übernahm im Anschluss daran die Leitung einer Station am Standort Nürtingen. Seit April absolviert auch erstmals eine Mitarbeiterin des psychiatrischen Bereichs das Programm.
Welche persönlichen als auch allgemeinen Ziele verfolgt das Traineeprogramm?
Persönliche Ziele: |
- Heranführen an die fachlichen und organisatorischen Aufgaben
- Selbstständiges sowie eigenverantwortliches Handeln im Pflege- und Therapieprozess
- Einbringen eigener Ideen
- Übernahme der Verantwortung für eine Station/Abteilung
- Persönliche Fragestellung: Kann ich mir das vorstellen? Bin ich geeignet?
|
Allgemeine Ziele: |
- Aufzeigen der Tätigkeit einer neuen bzw. zukünftigen Stationsleitung
- Vereinheitlichung von Abläufen und Strukturen einer Stationsleitung (kontinuierliche Prozessoptimierung)
- Gewinnung neuer Stationsleitungen
- Zusammenarbeit mit „Jung und Alt“ (Stationsleitungen und Mitarbeitende untereinander):
Austausch untereinander bspw. von Erfahrungswerten |
Welche Inhalte umfasst das Traineeprogramm und wie ist dieses aufgebaut?
Das Programm dauert rund zwei Monate. Dabei können die Teilnehmenden in verschiedenen Bereichen und Tätigkeitsfeldern hospitieren. Dazu gehören beispielsweise:
- Gesetz zur Personaluntergrenze
- Ausbildungsstation mit Praxisanleitung
- Stellenverteilung
- Kennenlernen verschiedener Dienstplanmodelle
- Qualitätsmanagement und Fortbildung zu hausinternen Programmen: z.B. SimplifyU
Während den zwei Monaten werden regelmäßig Beratungsgespräche (Erstgespräch, Zwischengespräch, erneutes Zwischengespräch und das Abschlussgespräch) geplant und durchgeführt. Zudem umfasst das Programm die Teilnahme an externen und internen Fortbildungen.
Mögliche interne Fortbildungsthemen:
- Schreiben von Arbeitszeugnissen
- Miteinander reden – wie werden professionelle Kommunikationstechniken zielführend eingesetzt
Mögliche externe Fortbildungsthemen (Webinar):
- Gesundheitsorientiertes Führen – mehr Widerstandskraft im Pflegealltag
Untergliedert sich das Traineeprogramm in einen praktischen und theoretischen Teil?
Den theoretischen Teil des Traineeprogramms bilden die Hospitationen. Die angebotenen Fortbildungen können die Teilnehmenden parallel besuchen, um zusätzliche Eindrücke sowie Erfahrungen zu sammeln und zu gewinnen. Im praktischen Teil des Traineeprogramms begleiten die Teilnehmenden die Stationsleitung zu Besprechungen, Rundgängen auf der Station und lernen das Tätigkeitsfeld sowie die Prozesse einer Stationsleitung kennen.
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag eines Trainees aus?
Zu Beginn begleitet der Trainee die Stationsleitung auf dem Morgenrundgang. Dabei wird gezielt darauf geschaut, ob es im Nachtdienst bspw. Neuzugänge oder Notfälle gab. Zusätzlich wird geprüft, ob Krankmeldungen der Kolleginnen und Kollegen eingegangen sind. Gegebenenfalls müssen Anpassungen im Dienstplan vorgenommen werden. Dabei ist der Abgleich der Wochenpläne mit den dokumentierten Überstunden wichtig. Eine weitere zusätzliche administrative Aufgabe ist das Erstellen des Dienstplans für die kommenden Wochen. Des Weiteren ist zu besprechen, ob Patientinnen oder Patienten entlassen werden können. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Belegungsmanagement sehr wichtig. Die Bettensituation muss ständig im Blick behalten werden, da es auch elektive (geplante) Zugänge gibt. Zu den täglichen Aufgaben gehört auch die Überprüfung der Patientinnen und Patienten auf multiresistente Erreger (MRE) sowie die Kontrolle des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS). Neben der Teilnahme an den Übergabe- und Mittagsbesprechungen sowie – im aktuellen Fall – an Covid-Krisen-Besprechungen, lernt der Trainee verschiedene Projektgruppen der medius KLINIKEN kennen. Einmal wöchentlich muss die QS-Dokumentation und die BTM-Kontrolle (Betäubungsmittelkontrolle) durchgeführt werden.
Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sollten mitgebracht werden? Welche Eigenschaften braucht ein Trainee?
Meiner Meinung nach sollte der Trainee viel Geduld mitbringen. Natürlich sind Empathie und Einfühlungsvermögen auch wichtig. Für das Programm sollte man aufgeschlossen sein und bei Fehlern auch Kritik annehmen können. In der Pflege benötigt man eine gute Menschenkenntnis, um bspw. die Körpersprache deuten zu können. Als spätere Leitung ist eine gute und ehrliche Kommunikation ebenfalls sehr wichtig.
Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit dem Traineeprogramm gemacht?
Es hat sich gezeigt, dass Mitarbeitende, die bei den medius KLINIKEN tätig sind, es einfacher haben, da sie bereits mit den Strukturen und Programmen der Klinik vertraut sind. Dadurch finden sie sich schneller in die Prozesse und Aufgaben einer Stationsleitung ein. Die Gewinnung von neuen Führungskräften aus den eigenen Reihen ist sehr wichtig. Daher sollte das Projekt weiter etabliert und unterstützt werden.
Wird das Programm von den medius KLINIKEN finanziert oder müssen die Kosten von den Mitarbeitenden selbst getragen werden?
Die finanziellen Kosten des Traineeprogramms werden von den medius KLINIKEN getragen. Während dieser Zeit sind die Teilnehmenden freigestellt.
Sind Sie neben Ihrer Mentorentätigkeit noch in einer anderen Funktion bei den medius KLINIKEN tätig?
Neben der Tätigkeit als Mentorin für das Traineeprogramm und meiner Tätigkeit als Stationsleitung arbeite ich als Diabetes-Pflegefachkraft in der DDG-Klinik. Darüber hinaus bin ich als Fachtherapeutin "Wunde ICW" im Wundarbeitskreis der medius KLINIKEN involviert und leite seit Januar 2021 die Ausbildungsstation (Station 31). Als Master-Key-User werde ich ab August 2022 die Fieberkurve mitbetreuen.
Welche Herausforderungen sind mit Ihrer Arbeit und dem Traineeprogramm verbunden?
Natürlich ist die Durchführung des Traineeprogramms ein zusätzlicher Zeitfaktor zu meiner eigentlichen Arbeit. Es nimmt viel Zeit in Anspruch, den Trainees Strukturen und Tätigkeiten aufzuzeigen und zusätzlich zu überprüfen. Trotz allem habe ich einen strukturierten Arbeitsalltag und kann beispielsweise Zertifizierungen vorbereiten, Mitarbeitergespräche führen, Krankmeldungen bearbeiten und Projekte begleiten. Wie ich schon erwähnt habe, ist Geduld sehr wichtig. Es braucht seine Zeit, um den Trainees die Tätigkeiten einer Stationsleitung umfangreich zu vermitteln und diese zu üben, um eine fehlerfreie Umsetzung sicherzustellen. Dabei dürfen die Kolleginnen und Kollegen der Station unter dem Konzept „Traineeprogramm“ nicht leiden. Es müssen daher stets individuelle Absprachen getroffen werden.
Kommen Sie auch manchmal an Ihre Grenzen?
Natürlich. Es ist eine sehr große Herausforderung, wenn Krankmeldungen vorliegen. In schwierigen Situationen ist es zudem wichtig, die eigenen Mitarbeitenden stets zu motivieren. Leider ist die Corona-Pandemie zusätzlich eine sehr starke Belastung für das Team. Hier ist stets ein offenes Ohr seitens der Stationsleitung gefragt.
Haben Sie sich dadurch auch persönlich weiterentwickelt?
Jeder Trainee ist anders und benötigt seine persönliche und individuelle Unterstützung. Dies herauszufinden, ist eine spannende Aufgabe und bringt mich natürlich auch persönlich weiter.
Welche Perspektiven sehen Sie für das Programm?
Ich sehe dieses Programm als eine sehr gute Nachwuchsarbeit für zukünftige Stationsleitungen. Es ist wichtig, dieses Programm weiter zu entwickeln. Denn nur so können stets weitere Personen für die Leitungsaufgabe gewonnen werden.
Was gefällt Ihnen am Besten an dem Programm?
Ich finde es schön, dass ich durch das Programm neue Kolleginnen und Kollegen kennenlernen darf. Dadurch kann ich für sie eine Art Wegbegleiterin in dieser sehr abwechslungsreichen und spannenden Zeit sein.
Was würden Sie den Personen raten, die gerne ebenfalls das Traineeprogramm durchlaufen möchten?
In erster Linie sollten diese Personen bereits Erfahrung in der Pflege gesammelt haben – dies vereinfacht die Einarbeitung. Zudem sollte man sich die Frage stellen, ob eine Tätigkeit im mittleren Pflegemanagement bspw. als Stationsleitung vorstellbar wäre.
Der Trainee sollte neugierig auf die neuen Aufgaben sein, eine gute Selbsteinschätzung sowie Selbstwahrnehmung mitbringen. Auch sollten Eigenorganisation, ein Rund-um-Blick und Menschenkenntnisse vorhanden sein. Es sollte auch zu den Stärken des Trainees zählen, konstruktive Kritik zu äußern und anzunehmen.