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Persönliche Geschichten

17.03.2022

Über 40 Jahre Pflege – und ich bin immer noch dabei

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Was hat sich verändert – damals vs. heute?

Wir sprechen mit
Marietta Chabowski, Stationsleitung Station 6 │ Leitung Kreißsaal, medius KLINIK NÜRTINGEN

Liebe Frau Chabowski, Sie sind nun bereits seit 43 Jahren in der Pflege, bzw. als Hebamme tätig.
Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Schon seit meiner frühen Jugend an hat mich die Arbeit mit Menschen sehr interessiert. Daher habe ich im Jahr 1979 meine Ausbildung in der Krankenpflege begonnen. Während dieser Ausbildung reifte in mir der Wunsch, in die Mission zu gehen. Die Voraussetzung für einen Missionseinsatz war jedoch die Ausbildung zur Hebamme.
Eigentlich wollte ich nach meiner Ausbildung noch gerne ein wenig länger in der Krankenpflege bleiben, um Erfahrungen in der Praxis zu sammeln. Ich habe jedoch direkt im Anschluss an meine Pflegeausbildung einen Ausbildungsplatz zur Hebamme bekommen. Diese Chance durfte ich mir nicht entgehen lassen, da diese Ausbildungsplätze sehr begehrt und sehr rar waren. 
Und was soll ich sagen? Ich bin dann wohl doch länger in diesem Beruf geblieben, als ich das zum damaligen Zeitpunkt gedacht habe. :)

Wie haben Sie damals Ihre Ausbildung erlebt?
Die Ausbildung in der Krankenpflege, die ich an einer Uniklinik absolviert habe, gefiel mir sehr gut. Dort herrschte ein hoher Standard an theoretisch fundiertem Wissen. Das Miteinander war toll und auch die hohe Fachkompetenz in der Pflege hat mich begeistert.
Die Hebammenausbildung hingegen war wirklich herausfordernd. Hier herrschte eine strenge Hierarchie. Man war darauf angewiesen, dass man einen guten Stand bei den Hebammen hatte – ansonsten hatte man keine Chance. Die Devise lautete „Wer durch diese harte Schule kommt und sich durchsetzen kann, der wird Hebamme.“

Was macht die Pflege in Ihren Augen so besonders?
Pflege bedeutet arbeiten mit Menschen an Menschen, ob gemeinsam im Team oder mit den Patienten: Der Mensch steht immer im Mittelpunkt. Als Pflegekraft hat man die besondere Chance, eine ganz intensive Beziehung zu verschiedensten Patienten aufzubauen. Das gibt es so in vielen anderen Berufen nicht. Oft begleitet man Patienten in schwierigen Situationen. Diese nehmen aus der intensiven Zeit im Krankenhaus viele Erinnerungen mit – da tragen wir in der Pflege eine große Verantwortung.

Welche Aspekte der Pflege haben Sie besonders geprägt?
In der Pflege und insbesondere als Hebamme haben mich viele intensive Erlebnisse in der Geburtshilfe besonders geprägt. Paare dabei begleiten zu dürfen, wie ihre ganz eigene neue Familie entsteht. Miterleben zu dürfen, wie neues Leben auf die Erde kommt – das bleibt für mich immer etwas ganz Besonderes in meinem Beruf. Hier gibt es das schöne Zitat aus dem Gedicht von Hermann Hesse „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“. Diesem Zauber durfte ich aufgrund meines Berufs oft sehr, sehr nah sein. Dafür bin ich dankbar. 

Was macht für Sie eine gute Hebamme aus?
Eine gute Hebamme benötigt eine große Portion Empathie, Flexibilität und insbesondere Freude an ihrem Beruf. Eine gute Hebamme beherrscht die Kunst, in maximalen Stresssituationen ruhig zu bleiben und – sagen wir mal – „aktives Nichtstun“ auszuhalten. In der Geburtshilfe muss man auch mal abwarten können. Das ist manchmal schon wahrlich eine große Herausforderung. 

Wie haben Sie die Entwicklung der medius KLINIKEN erlebt? 
In den vielen Jahren, in denen ich bei den medius KLINIKEN bin, ist natürlich auch viel passiert. Umzüge, Neubauten und Umstrukturierungen – ich habe hier wirklich viel erlebt. Das Schöne daran ist jedoch immer gewesen, dass wir bei Veränderungen einbezogen wurden. Wer wollte, konnte sich einbringen und das Umbruchsgeschehen aktiv mitgestalten. Das hat mir immer Spaß gemacht.

Was hat sich in den Jahren grundlegend geändert?
Im Laufe der Jahre hat sich wirklich viel verändert. Ich erinnere mich noch daran, wie wir mit Bleistift auf Zetteln notiert haben, was man vom Labor anfordern musste. Später gab es dann Matrizen, mit denen wir – ähnlich wie Linoldruck – die Adressen der Patienten auf ein gestanztes Blatt gerollert haben. Danach folgten handgefertigte Laborzettel, auf denen man nur noch die gewünschten Kriterien ankreuzen musste.
Und dann kamen die Anfänge der Digitalisierung. Das war die größte Umstellung. Damals war ich schon Leitung und durfte meinem Team erklären, wie man einen Computer und eine Maus bedient. Ich werde nie vergessen, wie eine Kollegin am Ende der Schulung vom Bedienen einer Maus einen Krampf bekam und die restliche Woche Muskelkater in der Hand hatte.
Nun sind wir dabei, komplette Geburtsberichte digital zu verfassen. Die Digitalisierung ist stetig vorangeschritten und mittlerweile sind wir annähernd papierlos.

Selbstverständlich gab es außer der Digitalisierung noch weitere grundlegende Veränderungen. Als ich im Kreißsaal angefangen habe, war es bspw. noch nicht alltäglich, dass die Männer bei der Geburt dabei sein durften. Dies hat sich erfreulicherweise im Laufe der Jahre schnell als Standard etabliert.

Auch die Aufenthaltsdauer der Patientinnen hat sich reduziert. Früher war eine Frau bei einer normalen Geburt 10 Tage und bei einem Kaiserschnitt 14 Tage im Krankenhaus. Dies hatte sich bereits während meiner Ausbildungszeit auf 6 Tage bei einer normalen Geburt und 10 Tage bei einem Kaiserschnitt reduziert. Heute sind es bei einer normalen Geburt nur noch 2 Tage und bei einem Kaiserschnitt 3-4 Tage. Auch waren die Frauen früher kaum auf die Geburt vorbereitet – auch das ist heute aufgrund der Aufklärung freiberuflicher Hebammen und der vielen angebotenen Vorbereitungskurse völlig anders.

Zuletzt hat sich auch die Kaiserschnittmethode geändert – man spricht heutzutage von einem „sanften Kaiserschnitt“. Es gibt kaum noch Vollnarkosen. Diese werden nur noch im Notfall angewendet. Grundsätzlich wird alles in Spinalanästhesie oder mit Hilfe einer PDA durchgeführt. Durch die OP- und Nahttechnik haben die Patientinnen viel weniger Schmerzen als früher. Das hat jedoch auch dazu geführt, dass der Kaiserschnitt als Operationsmethode nicht mehr so gefürchtet ist und dass der Wunsch danach viel ausgeprägter ist als früher.

Hand aufs Herz: Gab es Momente, in denen Sie überlegt haben, den Beruf zu wechseln?
In den letzten Jahren haben sich vor allem politische Strukturen stark verändert. Mir fällt es oftmals schwer, mit den veränderten Bedingungen in der Pflege wie Personalmangel oder zu wenig zeitlichen Ressourcen für die Betreuung der Frauen klarzukommen.
Doch „Gehen“ war für mich keine Alternative – denn dann reißt man ein weiteres Loch in die bereits bestehende Lücke und es ändert sich nichts. Außerdem können meines Erachtens die medius KLINIKEN nichts dafür, dass wir einen allgemeinen Hebammen- und Pflegemangel haben.
Daher werde ich bleiben und unterstützen, wo ich kann. Und insbesondere versuche ich, das bestehende System positiv zu verändern, mich politisch zu beteiligen und rauszuholen, was nur möglich ist. Das sehe ich auch als meine ganz persönliche Aufgabe und Herausforderung in der Leitungsverantwortung.

Können Sie sich an ein ganz besonders schönes Erlebnis erinnern, das Ihnen für immer in Erinnerung bleiben wird?
Ich durfte eine krebskranke Frau während der Entbindung begleiten. Der niedergelassene Arzt empfahl ihr aufgrund ihrer Erkrankung einen Kaiserschnitt. Die Frau hatte sich jedoch dazu entschieden, auf natürlichem Weg zu entbinden.
An dem Tag war es im Kreißsaal sehr ruhig, sodass ich die Frau sehr gut und persönlich bis zur Entbindung begleiten durfte. Als sie dann ihr Neugeborenes in den Armen hielt, wurde mir sehr bewusst, wie nahe sich Leben und Tod kommen können. Das war eine ganz besondere Situation und für mich ein besonderes Geschenk.

Was motiviert Sie, auch in den nächsten Jahren noch in der Pflege zu arbeiten?
So lange ist es ja nun nicht mehr :)
Bei mir heißt es immer: „Solange mich nichts demotiviert, ist meine Motivation ungebrochen.“
Meine größte Motivation sind jedoch meine Mitarbeiter, die ich gerne unterstützen möchte. Ich möchte für ein Umfeld sorgen, in dem meine Mitarbeiter so gut wie möglich arbeiten können und sich wohlfühlen.

Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste für die Zukunft der Pflegeberufe?
Vor allem die Ausbildung von Fachkräften und die Gewinnung neuer guter Mitarbeiter, die ihren Beruf gerne ausüben.
Der Pflege- und Hebammenberuf muss in einem positiven Bild erstrahlen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen an die Bedürfnisse der heutigen Zeit angepasst werden. Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet werden, dass sie machbar sind. Dass die Menschen Zeit und Raum haben, das auszuüben, wofür sie ursprünglich ausgebildet wurden.

Wenn Sie wählen könnten, würden Sie den Beruf wieder ergreifen?
Ja, unbedingt. Die Kombination aus Pflege und Hebamme war für mich persönlich die beste Entscheidung.

 

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Das Interview führte Salome Johnson, Kommunikation u. Strategie, medius KLINIKEN

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